Innovative Nahmobilität

Stadt-Umland-Mobilitätswende mit einem ressourcenschonenden Darmstadt-Vehikel (SDG 11 und 12) – Welchen Beitrag kann das "DaVe" leisten?

Darmstadt und das Umland sind über vielfältige Pendelströme miteinander verbunden. Viele Pendelnde fahren diese Strecken bisher im eigenen PKW – vor allem, wenn die Strecke länger als 10 Kilometer ist. Das zeigte auch die Bürgerpanel-Befragung zu Innovativer Nahmobilität, die im Rahmen des Projektes durchgeführt wurde. Dieser individuelle PKW-Verkehr bringt nicht nur die Verkehrsinfrastruktur an ihre Kapazitätsgrenzen, sondern belastet auch Gesundheit und Lebensqualität derjenigen, die hier pendeln und wohnen. Dies lässt sich auf den hohen Ausstoß an Emissionen von z. B. Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Stickoxide und Fein(st)staub zurückführen, sowie die mit dem Betrieb der Fahrzeuge einhergehenden Lärmemissionen.

Doch wie lassen sich diese alltäglichen Fahrten mit dem eigenen Auto vermeiden?

Das Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel scheinen als Alternativen noch nicht attraktiv genug, um zu einem merklichen Umstieg anzuregen. Ein Baustein für eine Stadt-Umland-Mobilitätswende kann ein neu gestaltetes Fahrzeug sein, welches den eigenen PKW auf den alltäglichen Fahrten ersetzt und das Angebot alternativer Verkehrsmittel sinnvoll ergänzt. So ist derzeit – gemeinsam mit dem Unternehmen RTI Sports – ein interdisziplinäres Team, u.a. aus Industriedesign, Ressourceneffizienz und Rechtswissenschaft, auf dem Weg, ein Darmstadt-Vehikel (DaVe) zu entwickeln: das DaVe ist ein Allwetterfahrrad für Pendelnde, von Muskelkraft angetrieben, aber motorunterstützt. Für den Transport von Personen und Lasten ist es modular ausgelegt, vielfältig einsetzbar und nach den Prinzipien einer Circular Economy entwickelt.

Erste Fahrmodelle sind bereits in der Erprobung. Parallel untersuchen die Forschenden, welche Infrastruktur in der Region und welche Geschäftsmodelle, etwa zur gemeinschaftlichen Nutzung von DaVe, seine möglichst breite Nutzung unterstützen.

Das Umsetzungsvorhaben will zu einer nachhaltigeren Mobilität („safe, affordable, accessible and sustainable transportation systems for all“, SDG 11) ebenso beitragen wie zu einer möglichst schadstofffreien und ressourcenschonenden Entwicklung von Produkten (SDG 12).

Das Vorhaben teilt sich in verschiedene Handlungsfelder:

Infrastruktur

Damit DaVe einen tatsächlichen Beitrag zur regionalen Mobilitätswende leistet, muss es für möglichst viele Menschen so attraktiv sein, dass sie im Alltag vom eigenen Auto auf DaVe umsteigen. Dafür ist eine DaVe- und damit fahrradfreundliche Infrastruktur auch im Umland von Darmstadt erforderlich. Das Teilvorhaben „Innovative Nahmobilität" will daher zum Ausbau der bestehenden Radinfrastruktur beitragen. Im Mittelpunkt steht dabei, Lücken in den Verbindungen zwischen den Kommunen zu schließen. Die Forschenden analysieren dazu die (Verwaltungs-)Prozesse zum Ausbau von Radinfrastruktur-Projekten. Dazu tauschen sie sich mit den verantwortlichen Personen für Radinfrastrukturausbau in Stadt, Kommunen, dem Landkreis und dem Land Hessen aus. Ein Ergebnis dieser Aktivitäten war ein Netzwerk-Treffen im Landkreis Darmstadt-Dieburg, welches die Kooperation zwischen den Kommunen stärkt. Das Teilvorhaben begleitet seither interkommunale Projekte und wird auch weitere Netzwerk-Aktivitäten unterstützen.

DaVe ist für Pendelnde auch im Radius von 15-20 km (und mehr) besonders attraktiv, wenn der Elektromotor eine Geschwindigkeit von bis zu 45 km/h unterstützt (wie bei S-Pedelecs). S-Pedelecs dürfen derzeit allerdings nicht die Radverkehrsanlagen nutzen und müssen auf der Fahrbahn mit Kraftfahrzeugen fahren. Dies mindert mindestens die gefühlte Sicherheit auf einem S-Pedelec und hemmt deren Nutzung. Zu klären ist daher, unter welchen Randbedingungen es sich empfiehlt, Radverkehrsanlagen für S-Pedelecs zu öffnen und welche rechtlichen Voraussetzungen dafür zu erfüllen sind. Gemeinsam mit der Hochschule Rhein-Main ist geplant, die Nutzung von S-Pedelecs und verbundene Sicherheitsaspekte in einem Modellprojekt weiter zu erforschen.

Circular Economy

Da sich ca. 80% der späteren Umweltbelastungen eines Produkts in der Designphase entscheiden, sind bereits in den frühen Entwicklungsstadien von DaVe die richtigen Weichen für eine Gestaltung entsprechend einer möglichst schadstofffreien und ressourcenschonenden Circular Economy zu stellen. Die von DaVe zu erfüllenden Anforderungen lassen sich aus dem "New Circular Economy Action Plan" ableiten, den die Europäische Kommission im Rahmen des "Green Deals" als einen ambitionierten Fahrplan für den Aufbau einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft ("Circular Economy“) vorgelegt hat, in dem es heißt: „Für die Bürgerinnen und Bürger wird die Kreislaufwirtschaft hochwertige, funktionelle und sichere Produkte bieten, die effizient und erschwinglich, langlebiger und auf Wiederverwendung und Reparatur sowie ein hochwertiges Recycling ausgelegt sind.“ (Europäische Kommission 2020; 3)

Die Entwicklung von Produkten nach den Prinzipien der Circular Economy bedeutet eine Abkehr von den derzeitigen Produktions- und Konsumweisen. Gelingt eine Wende von der Verbrauchs- zu einer Gebrauchs-Wirtschaft, erschließt sich auf diese Weise etwa die Hälfte des Klimaschutzpotentials auf dem Weg zu Klimaneutralität. Weiter verursachen die Gewinnung und Weiterverarbeitung der Ausgangsmaterialien global 90% der Verluste an Artenvielfalt.

Primäres Ziel ist daher, die Funktionsfähigkeit von Produkten so lange wie möglich zu erhalten. Nach Produktlebensende sind die Materialien außerdem hochwertig zu recyceln und finden so erneut den Weg in langlebige und reparaturfähige Produkte – so auch beim DaVe: das transdisziplinäre Team entwickelt das Fahrzeug vor diesem Hintergrund als modular aufgebautes, gewichtsoptimiertes Allwetter-Fahrrad mit langer Lebensdauer, das leicht reparier- und zerlegbar ist. Am Ende seines Lebensweges sind die meisten Bauteile wiederverwendbar, die Materialien von DaVe enthalten möglichst wenig problematische Inhaltsstoffe und sind hochwertig stofflich und schadstoffarm recycelbar.

Die Entwicklung von DaVe ist jedoch nur ein Baustein in Richtung einer ressourcenschonende Circular Economy in der Fahrradbranche. Gefordert ist ergänzend eine (durch IT-Systeme unterstützte) Transparenz in der gesamten Lieferkette; und zwar beginnend bei den eingesetzten Materialien über Reparaturanleitungen bis hin zu Wieder- und Weiterverwendung von Bauteilen. So bearbeiten die Forschenden weiter die Frage, wie es gelingt, einen solchen Wandel in der Branche zu initiieren.

Quelle: Europäische Kommission (2020): Ein neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft. COM(2020) 98 final. Online verfügbar unter https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:9903b325-6388-11ea-b735-01aa75ed71a1.0016.02/DOC_1&format=PDF, zuletzt geprüft am 11.04.2022.

Produktentwicklung

Das Design-Team entwickelt unter den zuvor beschriebenen Anforderungen bis Ende 2022 eine fahrtüchtige Version des DaVe: zusammengefasst also ein Allwetter-Fahrrad für Pendelnde mit motorunterstütztem Pedalantrieb, das über einen abnehmbaren Witterungsschutz verfügt und nach den Prinzipien einer Circular Economy gestaltet ist. Hinzu kommen Anforderungen der technischen Machbarkeit und Notwendigkeiten der Sicherheit.

Die Allwetter-Tauglichkeit ermöglicht es Pendelnden, auch dann das Fahrrad zu nutzen, wenn sie sonst auf den PKW zurückgreifen würden (z. B. bei Nässe oder Kälte).

Die Motorunterstützung erschließt zudem alle Fahrten, bei denen sportliche Anstrengung oder Schwitzen unerwünscht ist.

Die Möglichkeit zur Lastenmitnahme erlaubt es neben Pendelstrecken auch, DaVe für einen größeren Einkauf zu nutzen und mehrere Wegezwecke zu verbinden.

Die Fahrrad-ähnlichen Abmessungen und die Einspurigkeit von DaVe sorgen dafür, dass DaVe zukünftig die Radinfrastruktur nutzen kann.

Nachdem das Team diese vielfältigen Anforderungen an das Fahrzeug im Verlauf des Projektes geschärft hat, freuen sie sich jetzt auf vermehrte Fahrtests und detailliertere Gestaltungsfragen. In diesem Rahmen plant das Teilvorhaben eine weitere Befragung mit dem Bürgerpanel im Sommer 2022.

DaVe in verschiedenen Konfigurationen

Quelle: Robert Toroczkay (s:ne)

Kontakt

Prof. Dr. Martin Führ (Projektleitung)
Martin.Fuehr@h-da.de

Prof. Tom Philipps (Projektleitung)
Tom.Philipps@h-da.de

Vivien Albers (Infrastruktur)
Vivien.Albers@h-da.de

Maximilian Schweikert (Circular Economy)
Maximilian.Schweikert@h-da.de

Robert Toroczkay (Produktentwicklung)
Robert.Toroczkay@h-da.de

Dr. Ing. Stefan Gloger (Produktentwicklung)
Stefan.Gloger@h-da.de

Das Team

Aktuelle Mitteilungen

Im Juli 2022 versammelten sich erneut die Verantwortlichen für den Radverkehr im Landkreis Darmstadt-Dieburg, diesmal in der Schader-Stiftung. Aufbauend auf einem Umsetzungsbericht zum Radverkehrskonzept des Landkreises besprachen die Teilnehmenden, wie die Umsetzung nun weiter voranzubringen ist. Eine Zusammenfassung des Treffens finden Sie hier.


Den Bericht zum Umsetzungsstand des Radverkehrskonzept Darmstadt-Dieburg erstellten Vivien Albers und Karin Bugow in Zusammenarbeit mit den Kommunen. Lesen Sie hier, was bereits geschafft wurde und welche Herausforderungen noch bestehen. Für die Detailanalysen fragen Sie gerne Vivien Albers an.


Im März 2022 versammelten sich Verantwortliche für den Radverkehr im Landkreis Darmstadt-Dieburg online, um sich über den Umsetzungsstand des Radverkehrskonzeptes auszutauschen, Erfolge und Herausforderungen zu identifizieren und nächste Schritte zu planen. Eine Zusammenfassung des Treffens finden Sie hier.


Im Juni 2021 veranstaltete die Schader-Stiftung im Vorhaben ein Werkstattgespräch mit dem Thema Interkommunale Zusammenarbeit für eine fahrradfreundliche Infrastruktur. Neugierig? Eine Zusammenfassung finden Sie hier.